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Norddeutsches Wattenmeer und Nordseeinsel Amrum

 

Die nordfriesischen Inseln Amrum, Sylt und Föhr liegen an der Westküste Schleswig-Holsteins und sind Teil des größten zusammenhängenden Wattenmeergebietes der Erde! In einem 10 bis 35 km breiten Gürtel und mit einer Gesamtfläche von 9300 km2 erstreckt sich dieses Wattgebiet entlang der niederländisch-deutsch-dänischen Küste.
Zum Schutz dieses ökologisch sensiblen Gebiets hat man an der deutschen Nordseeküste die drei Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer (seit 1986), Hamburgisches Wattenmeer (seit 1990) und Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (seit 1985) geschaffen. Das gesamte norddeutsche Wattenmeer steht seit 1991 unter internationalem Schutz und gilt als Biosphärenreservat der UNESCO.

Besonders die Insel Amrum ist aufgrund ihrer spektakulären Dünenlandschaft, eines bis zu 3 km breiten Sandstrandes (Kniepsand) und des Wattenmeeres ein wirkliches geologisches Highlight, das in jüngster erdgeschichtlicher Zeit entstanden ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Name Amrum leitet sich von "Am Rem" ab, was sandiger Rand bedeutet. Die ca. 20 km2 große Insel (mit dem Kniepsand ca. 30 km2) erstreckt sich über eine Länge von etwa 14 km. Das markanteste Bauwerk auf der Insel ist der 63 m über NN hohe Leuchtturm. Die 1200 Einwohner - Touristen natürlich nicht mitgerechnet - verteilen sich auf 5 Orte. Bis 1864 gehörte die Insel zu Dänemark, ab 1866 zu Preußen.

Südlich und östlich der Insel gibt es mehrere Halligen, wovon einige mit Ausflugsschiffen besucht werden können, so z.B. die Hallig Hooge. Jene die zum Nationalpark gehören sind i.d.R. für Touristen nicht zugänglich. Viele Halligen sind wichtige Zwischenstationen (Brut-, Rast-, Überwinterungs-, Nahrungs- oder Mausergebiete) für zahlreiche Vogelarten und müssen vor Störungen geschützt werden.

Im Unterschied zu Inseln werden Halligen oft vom Meer überspült. Dann heißt es "Landunter". Außer der Hallig Hooge, die durch einen Damm vor den meisten Überflutungen geschützt ist, werden die anderen Halligen in diesem Gebiet bis zu fünfzig mal im Jahr vom Meer überspült. Die Warften, auf denen die Häuser gebaut sind, schützen die Bewohner bei Sturmfluten, meistens jedenfalls.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf der Hallig Hooge.

 

 

 

 

 

Europas breitester Badestrand

Der sogenannte Kniepsand ist eine Sandbank, die der Insel Amrum direkt parallel vorgelagert ist und gilt als der breiteste Badestrand Europas.
Die Sedimente werden vorwiegend aus westlicher und südwestlicher Richtung antransportiert, stammen also nicht, wie oft angenommen, von der Sylter Küste. In der Vergangenheit hat die Sandbank oft ihre Form und Position geändert und "wandert" in jüngster Zeit langsam in nördlicher Richtung.



Kniepsand

Leuchturm auf Amrum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geologie

Eiszeiten und Meeresspiegelschwankungen

Die geologisch-morphologischen Verhältnisse der nordfriesischen Inseln wurden ganz wesentlich durch die letzten Eiszeiten (Elster - Saale - Weichsel) geprägt.
Wärend der Kaltzeiten (Glazial) rückten die Gletscher aus dem skandinavischen Raum vor. Durch die Vereisung wurden enorme Wassermengen der Meere gebunden, was im Laufe der Zeit zu einer drastischen Absenkung des Meeresspiegels führte. So lag während der Hauptvereisungsphasen die Nordseeküste aufgrund der Regression (Meeresrückzug) etwa in Höhe der Dogger-Bank.
Erneute Transgressionen (Meereseinbrüche) erfolgten in den Zwischeneiszeiten, auch Interglazial genannt. Die nachstehende Abbildung zeigt die eustatischen Meeresspiegelschwankungen im Zeitraum Ende der Elster-Kaltzeit bis heute.



Eustatische Meeresspiegelschwankungen im Pleistozän und Holozän - nach Woldstedt, 1969. Quelle: Schmidt, K. (1978)

Geht man weiter in der Erdgeschichte zurück, so wird deutlich, dass es während früherer Vereisungsperioden eustatische Meeresspiegelschwankungen gab, die weit mehr als 100 m betrugen. Der Tiefstand von - 250 m gegenüber heutigem Niveau im Oligozän bleibt allerdings rätselhaft, da dies allein mit einer Vereisung nicht erklärt werden kann (Füchtbauer, 1988). Wahrscheinlich waren auch großräumige tektonische Vorgänge an solchen Meeresspiegelschwankungen beteiligt (tektono-eustatische Meeresspiegelschwankungen).
Vail (1977) gibt einen Höchststand von 350 m höher als heute für das Ende der Kreidzeit an, Seyfried & Leinfelder (1993) hingegen nennen einen Schwankungsbereich von +270 m und -150 m gegenüber dem heutigen Niveau.

die höchste Lage, am Ende der Kreidezeit:
350 m höher als heute
die tiefste Lage, im Mitteloligozän: 250 m tiefer als heute
zu Beginn des Jura und im Zechstein:
150 m tiefer als heute
im Obermiozän: 200 m tiefer als heute.

Quelle: Füchtbauer (1988)- Angaben nach VAIL et.al. (1977)


Zurück ins Pleistozän. In diesem Zeitabschnitt der Erdgeschichte waren die drei Inselkerne von Amrum, Föhr und Sylt noch miteinander verbunden und bildeten das sogenannte "Westland". Während des Eem-Interglazials und der Bildung des Eem-Meeres durch die abschmelzenden Eismassen, ragte diese Landmasse aus dem Meer heraus.

Vor ca. 70.000 Jahren, während der letzten Eiszeit (Weichsel-Kaltzeit), sank der Meeresspiegel erneut um einen Betrag von ca. 100 m gegenüber dem heutigen Niveau ab.
Am Ende des Pleistozäns kam es schließlich zur Aufspaltung des "Westlandes". Zwischen den heutigen Inseln Amrum und Föhr entstand infolge des Abschmelzens der Inlandseismassen eine Schmelzwasserrinne. Der erneute Meeresspiegelanstieg im Holozän durch die Flandrische und Dünkirchener Transgression auf das heutige Niveau führte schließlich zur endgültigen Teilung des ursprünglich zusammenhängenden "Westlandes". Es entstanden die Inseln Amrum, Föhr und Sylt. Dementsprechend besitzen auch alle drei Inseln einen pleistozänen Untergrund, der sogenannte Geestkern, der von Marschland umgeben ist. Aus diesem Grunde werden diese Inseln auch als Geestinseln bezeichnet.

Die pleistozänen Sedimente auf Amrum bestehen überwiegend aus Sand- und Kiesschichten sowie häufig eingeschaltetem Geschiebe. Sie wurden während der Elster- und Saaleeiszeit abgelagert. Die letzte Kaltperiode, die Weichseleiszeit, hat auf Amrum keine Ablagerungen hinterlassen, da die Gletscher nicht mehr bis in dieses Gebiet vordringen konnten.
Die Sande und Kiese, mit Mächtigkeiten zwischen ca. 20 und 30 m, bedecken fast die gesamt Insel. Die Herkunft der charakteristischen Geschiebe, wie z.B. Rhombenporphyr oder Rapakiwi-Granit, läßt sich eindeutig den skandinavischen Ländern zuordnen.

Das älteste anstehende Gestein, einen Limonitsandstein aus dem Tertiär, findet man am Steenodder Kliff, ganz im Norden der Insel. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um eine in situ-Bildung (am Ort entstanden).

Von besonderer Bedeutung für die heutige Gestalt und Position der Inseln waren die beiden Sturmfluten von 1362 (Mannsdränke) und von 1634 (Marcellus-Flut), die mit katastrophalen Landverlusten verbunden waren.
An vielen Stellen waren infolge von Austorfung zur Gewinnung von Salz größere Senken entstanden, so dass das Meer bei Sturmflut leichtes Spiel hatte. Erst als die alten, maroden Deiche im Nachhinein verbessert und erhöht wurden, konnten die Landverluste gestoppt und wieder Neuland gewonnen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Watt - eine von Ebbe und Flut geprägte Landschaft


Wattflächen bilden sich im allgemeinen im Randbereich von Lagunen, hinter Barriere-Inseln, in Ästuaren und in Deltas. An der deutschen Nordseeküste konnten Wattflächen durch eine Kombination aus dem regelmäßigen Wechsel von Ebbe und Flut (Tidenhub), der wellenbrechenden Wirkung der vorgelagerten friesischen Inseln sowie dem flachen Abfall der Küste entstehen. Dieser vor starker Brandung relativ sichere Lebensraum wird durch den regelmäßigen Wechsel von Überflutung und Trockenfallen charakterisiert.

Näheres zum Thema Gezeiten erfahren Sie hier >>.

Die Wattgebiete lassen sich in drei Zonen einteilen:

Supralitoral
Bereich oberhalb der Hochwasserlinie,
bei Sturmflut teilweise überschwemmte Fläche
Eulitoral Bereich zwischen Hochwasser- und Niedrigwasserlinie, trockenfallender Bereich = Watt
Sublitoral
Bereich unterhalb der Niedrigwasserlinie

Der Begriff litoral bezeichnet die Vorgänge, Kräfte und Formen, die an einer Küste auftreten.

Besonders markante morphologische Merkmale in den Wattgebieten sind die Priele. Diese Kanalsysteme regulieren den Zufluß und Abfluß im Watt und bilden sich vorwiegend durch den Ebbstrom.
Je nach Strömungsintensität können Priele dm- bis m-tiefe Rinnen ins Watt einschneiden. Durch Erosion und Sedimentation ändern die Priele mehr oder weniger ständig ihren Verlauf und sind damit ganz wesentlich für die Umlagerung der Wattsedimente verantwortlich. Untersuchungen haben gezeigt, dass Rinnenverlagerungen von 100 m im Jahr die Regel sind. Dieser Prozess bewirkt auch eine Abfolge von schräggeschichteten Lamellen aus sandig-schlickigem Material.

Die Wattsedimente bestehen aus einem Sand-Silt-Ton-Gemisch. Das Gemisch aus vorwiegend feinen Partikeln wird gewöhnlich als Schlick bezeichnet. Je nach Strömungsgeschwindigkeiten des Wassers lagern sich unterschiedliche Wattsedimente mit entsprechenden Anteilen der jeweiligen Kornfraktion ab. Man unterscheidet daher Sand-, Misch- und Schlickwatt.
In der nachstehenden Abbildung sind die Korngrößenanalysen von mehreren hundert Wattsedimentproben Ostfrieslands im ternären Diagramm von Sand, Silt und Ton mit der entsprechenden Zuordnung des Watt-Typs dargestellt. Bei einem Ton-Silt-Anteil von mehr als 85% des Sedimentgemisches spricht man auch von einem "fetten Schlickwatt".

 

Korngrößenverteilung von Wattsedimenten Ostfrieslands.
aus: Füchtbauer, 1988 - Abbildung modifiziert.



Sand = 0,063 mm bis 2 mm

Silt = 0,002 mm bis 0,063 mm

Ton = < 0,002 mm

Im Gegensatz zu einem normalen Küstenprofil, wo mit zunehmender Entfernung vom Land die Korngrößen der Sedimente abnehmen (z.B. Tiefseeton), werden im Watt feinste Sedimente landnah abgelagert.
Die feinen Korngrößen lagern sich bei auflaufendem Wasser, kurz vor dem Stillstand der Strömung, im obersten Bereich des Watts ab. Im unteren Bereich hingegen, wo stärkere Strömungsverhältnisse herrschen, werden vorwiegend Sande sedimentiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lebensraum Watt

Das Wattenmeer bietet zwar relativ wenigen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum, allerdings kommen diese in großer Anzahl vor. Diese Artenarmut und der gleichzeitige Individuenreichtung ist hauptsächlich auf ständig wechselnde Milieubedingungen im Ökosystem zurückzuführen.
Ebbe und Flut und die damit verbundenen Schwankungen in der Salinität, Feuchtigkeit, Temperatur und dem Nahrungsangebot erfordern eine spezielle Anpassung von Fauna und Flora.
Die wichtigsten Lebewesen im Wattboden sind vor allem Kieselalgen (Diatomeen), Muscheln, Schnecken, Krebse und Würmer. Aufgrund der großen Anzahl an Individuen ist das Watt tatsächlich eines der biologisch produktivsten Lebensräume überhaupt. Hinzu kommt, dass der Strand, die Dünengebiete und die Salzwiesen Lebensraum für zahlreiche Vogelarten ist.

Wattwurm (Arenicola marina)
Pygospiowurm (Pygospio elegans)
Schlickkrebs (Corophium volutator)
Wattschnecke (Hydrobia ulvae)
Strandschnecke (Littorinalittorea)
Pfeffermuschel (Scrobicularia plana)
Miesmuschel (Mytilus edulis)

  Kotpillenwurm (Heteromastus filiformis)
Herzmuschel (Cerastoderma edule)
Sandklaffmuschel (Mya arenaria)
Plattmuschel (Macoma baltica)
Seeringelwurm (Nereis sp.)
Bäumchenröhrenwurm (Lanice conchilega)

Typische Makroorganismen des Wattenmeeres. (Quelle: Hoffmann & Deicke).


Besonders die Kieselalgen findet man in großer Anzahl. In einem Kubikzentimeter Wattsediment können bis zu einer Million dieser Organismen auftreten. Diese Einzeller bestehen aus einem Zellkern und einer silikatischen Hülle. Ihre Größe reicht von einem tausendstel Millimeter (= 1µm) bis zu einem oder zwei mm. Wegen ihrer geringen Größe sind sie im Watt mit dem Auge nur als rotbraune Flecken zu erkennen. Unter dem Mikroskop hingegen erschließt sich einem die außerordentliche Schönheit und Formenvielfalt dieser Organismen. Kieselalgen stehen am Anfang der Nahrungskette, sind also Grundlage für die Existenz der höheren Lebewesen und werden von Würmern, Schnecken und Fischen gefressen.

  Kieselalge (Foto Alfred Wegener Institut, Bremerhaven - mit freundlicher Genehmigung)

Das AWI besitzt eine der größten Kieselalgensammlungen der Welt. Es sind etwa 100.000 Arten bekannt.



M.Wipki



Literatur:

Füchtbauer, H. (Hrsg.), (1988): Sedimente und Sedimentgesteine, Stuttgart (Schweizerbart).
Geschwinder, M. , Die Entstehungsgeschichte der Insel Amrum.
Henningsen, D.(1981): Einführung in die Geologie der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart (Enke).
Hoffmann, F. & Deicke, M.: Hallig Hooge 2002, Georg-August-Universität, Göttingen.
Murawski, H. (1983): Geologisches Wörterbuch, Stuttgart (Enke).
Pott, E. & Küpker, W. (1999): Der große BLV Naturführer Nordsee und Ostsee, München (BLV).
Schmidt, K. (1978): Erdgeschichte, Berlin (de Gruyter).
Seyfried, H. & Leinfelder, R., Meeresspiegelschwankungen - Ursachen, Folgen, Wechselwirkungen - Teil 2 - Internetveröffentlichung- bBasierend auf einem gleichlautenden, in "Wechselwirkungen"- Jahrbuch 1992 der Universität Stuttgart (S. 112-127) erschienenen Artikel (1993 publiziert).

Fotos:
P. Nierychlo, U. Reddmann